Auf dem Weg der anderen unterwegs: Bericht zur JCM-Hochschulkooperation 2022
Am 20.02.22 trafen wir uns das erste Mal unter der Leitung von Edward van Voolen, Lusungu Mbilinyi und Murat Caglayan in Vallendar. Als Studierende der Christlichen, Islamischen und Jüdischen Theologie kamen wir zusammen, um zu dem Thema „Schöpfung bewahren: Religiöse Antworten auf die Klimakrise und ihre Konsequenzen“ einen interreligiösen Trialog zu führen. Sowohl online als auch vor Ort nahmen wir teil. Die ersten beiden Tage der JCM- Tagung verbrachten wir unter uns und führten nach kurzen Impulsvorträgen aus den drei verschiedenen Religionen angeregte Diskussionen über unseren Umgang mit anderen Menschen und der Natur. Das Verhältnis der drei Religionen zueinander, Unterschiede und Gemeinsamkeiten waren, im Vordergrund unserer Gespräche. Nach den zwei Tagen in der kleinen Gruppe begann die offizielle JCM-Tagung, an der nicht nur Studierende aus Deutschland teilnahmen, sondern auch Menschen aus aller Welt. So kamen Menschen aus England, den Niederlanden, Tansania, Kongo, Israel und Palästina zusammen,um in dieser Woche interreligiöse Gespräche zu führen. Im Laufe der Woche hörten wir Vorträge zum Thema des Umweltschutzes und ihrer Bedeutung in den drei Weltreligionen. Nach jedem Impulsvortrag bot sich ausreichend Zeit, um in kleinen Gruppen Eindrücke, Meinungen undGedanken zu dem Thema auszutauschen und Neues dazu zu lernen. Auch der spirituelle Aspekt kam nicht zu kurz. Das gemeinsame Erleben von Gottesdiensten wie dem Taizé-Gottesdienst und dem Dhikr-Abend, sowie das gemeinschaftliche Begehen des Shabbats, des Freitagsgebets und des Sonntagsgottesdienstes, waren einmalige Erfahrungen, die einen Einblick in die drei abrahamischen Weltreligionen boten. Auch zwischen den Vorträgen, Workshops und Gottesdiensten war der Austausch im vollen Gange. Gespräche über Gott und die Welt rissen nie ab und gemeinsame Spieleabende bis in die Nacht schufen freundschaftliche Verbindungen zwischen uns über inhaltliche Diskussionen hinweg.
Das Seminar in Berlin thematisierte die verschiedenen Gottesbilder der drei Religionen. Die moderne Synagoge des Kollegs wurde uns hautnahe vorgestellt und beeindruckte in seiner künstlerischen Gestaltung. Freitagabend besuchten wir eine Reformsynagoge, in der Frauen und Männer getrennt voneinander saßen. Der Gottesdienst war überwiegend musikalisch gestaltet und sehr eindrucksvoll. Anschließend haben wir am Kiddusch teilgenommen, mit Wein und Challah. Kiddusch beschreibt die Zeremonie des Segnens von Wein und Brot. Samstag besuchten wir gemeinsam das Jüdische Museum in Berlin. Die „Ausstellung in den Achsen“ im Libeskind-Bau brachte uns anhand der Achse des Exils, des Holocausts und der Kontinuität die Lebensrealität deutscher Jüdinnen* Juden zwischen 1933 und 1945 eindrücklich näher. Einige besuchten danach noch die Moses Mendelssohn Ausstellung, die sein Leben und seine Philosophie anschaulich darstellte. Andere gingen in ihrer Freizeit in die Mevlana Moschee in Kreuzberg, damit einige von uns ihr Dhuhr-Gebet verrichten konnten und andere das muslimische Mittagsgebet und die Moschee kennenlernen konnten. Am Abend besuchten wir Edward, um den Havdallah, die Verabschiedung des Shabbats, bei gemeinsamem Essen zu feiern. Danach lernten wir uns anhand des Spiels „More than one story“, bei dem wir einander ungewöhnliche Fragen stellten, noch etwas besser und von einer anderen Seite kennen. Am Sonntag besuchten wir die Domkirche zu Berlin und hörten die Predigt von Frau Dr. Petra Zimmermann. Im Anschluss saßen wir zusammen und diskutierten die Predigt, unsere Eindrücke und Erfahrungen der spannenden letzten Tage. Nach einem leckeren Mittagessen im italienischen Restaurant verabschiedeten wir uns voneinander.
Das Seminar in Osnabrück startete am einem frischen sonnigen Donnerstagnachmittag. Zusammen machten wir uns auf den Weg zum Restaurant. Auch wenn wir lange auf das Essen warten mussten, hatten wir in der Zeit fantastische Gesprächsmöglichkeiten, die von Adam und Eva bis zu Rechtsurteilen in den verschiedenen Konfessionen reichten. Am nächsten Tag sind wir dann straight in ein heavy Themengebiet der sozialen Verantwortung eingestiegen: Kindesmissbrauch. Nach einer intensiven zweistündigen Diskussion, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es zu viele Fälle von missbrauchten Kindern und zu wenig Aufklärungsarbeit gibt. Gerade auch im religiösen Bereich sollte das Thema enttabuisiert und gesellschaftlich Verantwortung übernommen werden. Nach einem leckeren Mittagseintopf, sind wir gemeinsam zum Freitagsgebet in die bosnischen Moschee gegangen. Dort wurden wir herzlich empfangen und unterhielten uns bei Kaffee und Tee angeregt. Schließlich haben wir am Abend ein türkisches Restaurant besucht und gemeinsam bei Sigara-Börek, gefüllten Weinblättern, Zaziki, Lammkoteletts, Hackspießen, Reis, türkischem Tee und süßem Künefe geschlemmt. Am nächsten Tag diskutierten wir unterschiedliche Bereiche sozialer Verantwortung und teilten uns je nach Interesse in Gruppen auf: Eine Gruppe bereitete ein Projekt zur Erinnerung an den Genozid in Srebrenica vor, das mit Betroffenen und Experten gemeinsam auf die Beine gestellt werden könnte. Die Gruppe betonte die Verantwortung religiöser Menschen aktiv zu werden und gemeinsam den Genozid in Srebrenica zu erinnern. Die andere Gruppe besprach, dass Frauen der drei abrahamischen Religionen in der deutschen Gesellschaft heutzutage oft mit Vorurteilen konfrontiert sind. Deshalb betonte sie, dass Respekt für die Würde einer jeden an erster Stelle stehen sollte. Auch wenn immer wieder Räume für Begegnung geschaffen werden sollten, ist niemand einer anderen Person eine Erklärung für ihren Glauben schuldig. Respekt sollte sich nicht durch eine Erklärung der eigenen Identität verdient werden müssen. Die letzte Gruppe hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir als Individuen auf persönlicher Ebene soziale Verantwortung übernehmen können, um der Gesellschaft und der Umwelt von Nutzen zu sein. Dabei haben wir festgestellt, dass es sehr wichtig ist, zunächst persönlich Verantwortung zu übernehmen und Veränderung im eigenen Leben zu implementieren. Auch durch die Weitergabe von Information und das Aufmerksam machen auf notwendige Verantwortungsübernahme, kann die Gesellschaft sich in eine positive Richtung verändern. Nach einer kurzen Pause beim Mittagsessen diskutierten wir über die Briefe von Dr. Martin Luther King Jr. und wie er, durch seinen Glauben angetrieben, gegen Ungerechtigkeiten kämpfte. Nach einer längeren Pause feierten wir gemeinsam mit feinem Merlot-Traubensaft Havdallah und wünschten einander singend in Kiswahili, Türkisch, Kinyarwanda, Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Indonesisch eine schöne Woche. Am nächsten Morgen besuchten wir gemeinsam einen Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Marienkirche, wo wir von Gemeinde und Pastor Both herzlich empfangen wurden.
Wir danken Murat, Lusungu und Edward für die Organisation und Begleitung unseres prägenden Trialogs! Nicht nur die interessanten Diskussionsrunden werden uns in Erinnerung bleiben, sondern auch all die spannenden, persönlichen Gespräche zwischendurch. Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft weiter verbunden und im Austausch bleiben werden.